Auf die Bitte um Unterstützung im Fall der vorläufigen Suspendierung des  Oberbürgermeisters der Stadt Halle (Saale) antwortet die Staatskanzlei des Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts, Dr. Reiner Haseloff, Bürgerinnen und Bürgern gegenwärtig mit einer Art Musterschreiben, aus dem ich an dieser Stelle ausgewählte Passagen zitieren und kommentieren will.

Da ich sowohl von Bürgerinnen und Bürgern als auch von Medienschaffenden fortlaufend zum Stand meines laufenden Disziplinarverfahrens gefragt werde, möchte ich an dieser Stelle näher darauf eingehen.

I.

Zitat Staatskanzlei: „Disziplinarische Verfahren [sind] auch von ihm (Anmerkung: dem Ministerpräsidenten) zu respektieren“

Kommentar Wiegand: Beamtenrechtlich bin ich verpflichtet, dem Ministerpräsidenten aufzuzeigen, dass im Landesverwaltungsamt Mitarbeiter instrumentalisiert werden und voreingenommen tätig sind, relevante Zeugenaussagen nicht an die Gerichte weitergeleitet und im weiteren Verfahren nicht berücksichtigt werden sowie strafrechtliche Ermittlungsverfahren auf der Grundlage falscher Fakten eingeleitet werden.

All dies habe ich in einem Schreiben vom 14.11.2023 deutlich gemacht. In meinem Schreiben habe ich die Vorwürfe detailliert widerlegt und mit den Namen der im Landesverwaltungsamt handelnden Personen sowie Zeugenaussagen und gerichtlichen Begründungen hinterlegt.

Wenn staatliche Willkür erkennbar wird, muss ein Ministerpräsident handeln, um weiteren Schaden zu vermeiden – auch in einer ihm nachgeordneten Behörde, wie dem Landesverwaltungsamt.

II.

Zitat Staatskanzlei: „Aber auch dann, wenn das Strafverfahren insgesamt eingestellt wird oder sogar ein Freispruch erfolgt, kann ein Disziplinarverfahren wegen dieses Sachverhalts sowohl weitergeführt werden als auch zu einer Ahndung führen.“

Kommentar Wiegand: Das ist richtig, wenn es so allgemein formuliert wird. Bezogen auf die Vorwürfe gegen meine Person haben Gerichte jedoch mehrfach das Handeln des Oberbürgermeisters als legal bewertet – und überdies darauf hingewiesen, dass einige Sachverhalte dem Landesverwaltungsamt bereits seit dem Jahr 2013 bekannt sind. Zudem sind die jüngsten Urteile der Gerichte auch in meinem Disziplinarverfahren zu berücksichtigen. Auf welcher rechtlichen Grundlage dann in diesem Fall noch eine Ahndung erfolgen soll, bleibt im Verborgenen. Was sollte die Dienstpflichtverletzung sein: In einer Notlage zu handeln, bei einer unbekannten Pandemie? Personen, die für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung einnehmen, nicht zu impfen, wenn unmittelbar Impfstoffe zu verfallen drohen? Oder: eine verfassungswidrige Rechtsverordnung nicht angewandt zu haben?

III.

Zitat Staatskanzlei: „Bislang wurden die im Disziplinarverfahren getroffenen Entscheidungen des Landesverwaltungsamtes von keinem Gericht in Zweifel gezogen.“

Kommentar Wiegand: Das ist auch nicht möglich, wenn das Landesverwaltungsamt in einem Eilverfahren den Gerichten relevante Zeugenaussagen und Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft vorenthält.

 

IV.

Zitat Staatskanzlei: „Ein Abschluss des Disziplinarverfahrens ist aktuell somit nicht zu erwarten, auch weil die Staatsanwaltschaft gegenwärtig noch in zwei weiteren Fällen gegen Herrn Dr. Wiegand ermittelt.“

Kommentar Wiegand: Es bleibt abzuwarten, ob das Landgericht das eine verbliebene Verfahren – gemeint ist der Vorgang um den ehemaligen Geschäftsführer einer städtischen Gesellschaft, in den auch die Stadtwerke Halle GmbH involviert ist – eröffnet. Dieses Verfahren allein ist kein Grund, einen Oberbürgermeister von seinem Amt fernzuhalten. Ich möchte im Übrigen sehr darum bitten, dass nicht gegenüber Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck vermittelt wird, die Staatsanwaltschaft ermittle gegenwärtig noch in zwei Verfahren: In einem Verfahren (das um die städtische Gesellschaft) ist Anklage erhoben und die Staatsanwaltschaft muss warten, ob das Hauptverfahren eröffnet wird, und das zweite Verfahren (Vorwurf der Untreue wegen eines Personalvorgangs von 2013) hat die Staatsanwaltschaft nach der besten Variante (§ 170 Abs. 2 StPO, wegen fehlenden hinreichenden Tatverdachts) eingestellt. Gegenwärtig ermittelt die Staatsanwaltschaft nach meinem Wissen in keinem einzigen Verfahren mehr.

Von:

Datum: 17. November 2023

An: …

Betreff: Ihre E-Mail vom 10. November 2023

Sehr geehrter Herr …,

im Namen von Herrn Ministerpräsidenten Dr. Reiner Haseloff danke ich Ihnen für Ihre E-Mail vom 10. November 2023, in der Sie um Unterstützung für eine baldige, faire und echte rechtsstaatliche Lösung der Angelegenheit „Suspendierung Oberbürgermeister Wiegand“ im Interesse des demokratischen Gemeinwesens bitten. Er hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.

Ihrer Bitte vermag Herr Ministerpräsident aus mehreren Gründen nicht zu entsprechen. Die im Rahmen des Disziplinarverfahrens ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung des Herrn Wiegand entzieht sich dem Einfluss des Ministerpräsidenten, da disziplinarrechtliche Verfahren mit entsprechenden Rechtsmittelmöglichkeiten auch von ihm zu respektieren sind. Grundsätzlich wird die Ausübung der personalrechtlichen Befugnisse von dem verfassungsrechtlich garantierten Recht der Kommunen auf kommunale Selbstverwaltung umfasst und unterfällt der Personalhoheit der betroffenen Körperschaft. Für dienstaufsichtliche Angelegenheiten gegenüber einem Hauptverwaltungsbeamten ist insoweit die Vertretung der Kommune als Dienstvorgesetzte dieses Beamten zuständig. Die disziplinrechtlichen Befugnisse bei einem Hauptverwaltungsbeamten – wie dem Oberbürgermeister der Stadt Halle (Saale) –  liegen dagegen bei der Kommunalaufsichtsbehörde, die in dem Fall an die Stelle des Dienstvorgesetzten tritt, § 76a Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt.  

Die lange Dauer des bereits im Jahr 2021 eingeleiteten Disziplinarverfahrens ist dem Umstand geschuldet, dass wegen desselben Sachverhaltes eingeleitete Strafverfahren in der Regel zur Aussetzung bzw. zum Ruhen des Disziplinarverfahrens und zwar bis zum Abschluss des Strafverfahrens führen, da die Feststellung einer Straftat im Strafverfahren als Pflichtverletzung im Disziplinarverfahren gilt. Aber auch dann, wenn das Strafverfahren insgesamt eingestellt wird oder sogar ein Freispruch erfolgt, kann ein Disziplinarverfahren wegen dieses Sachverhalts sowohl weitergeführt werden als auch zu einer Ahndung führen.

Bislang wurden die im Disziplinarverfahren getroffenen Entscheidungen des Landesverwaltungsamtes von keinem Gericht in Zweifel gezogen. Zuletzt hat das Verwaltungsgericht Magdeburg in einem Beschluss des vorläufigen Rechtsschutzes den Antrag des suspendierten Oberbürgermeisters Wiegand auf Aufhebung einer Verfügung des Landesverwaltungsamtes seine Dienstbezüge betreffend abgelehnt und deutlich gemacht, dass es keine ernstlichen Zweifel an der im Bescheid vorgenommenen Prognose hat, dass es bei Fortgang der behördlichen Ermittlungen voraussichtlich zu einer Entfernung des suspendierten Oberbürgermeisters aus dem Amt kommt.

Ein Abschluss des Disziplinarverfahrens ist aktuell somit nicht zu erwarten, auch weil die Staatsanwaltschaft gegenwärtig noch in zwei weiteren Fällen gegen Herrn Dr. Wiegand ermittelt.  

Diese rechtstaatlichen strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Verfahren mit entsprechenden Rechtsmittelmöglichkeiten sind – auch vom Ministerpräsidenten – zu respektieren. Seien Sie jedoch versichert, dass die zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlichen Ermittlungen wegen der gegen Herrn Oberbürgermeister Wiegand erhobenen Vorwürfe ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und Notwendigkeiten durchgeführt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Hintergrund:

Stets habe ich alle Beteiligten in den Impfzentren strikt auf die Einhaltung der CoronaImpfV hingewiesen. Kein Impfstoff sollte allerdings nach der 6-stündigen Haltbarkeit verfallen. Und ich hatte und habe auch heute keine Bedenken, dass Mitglieder des Stadtrates und des Katastrophenschutzstabes in Impfzentren geimpft werden können, wenn Impfstoffe unmittelbar zu verfallen drohen. Dies sind Menschen, die für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung einnehmen. Rechtsgrundlage war die „Soll-Bestimmung“ der damaligen (verfassungswidrigen) CoranaImpfV. Beim Land gab es trotz Nachfragen keine Verwaltungsvorschrift; das belegen zahlreiche Zeugenaussagen. Bezogen auf diese Vorwürfe gegen meine Person haben das Landgericht Halle und das Oberlandesgericht Naumburg meine Entscheidungen als legal bewertet.

Den Impfvorgang nahm das Landesverwaltungsamt zum Anlass, mich vorläufig zu suspendieren. Wochen später wurden weitere Vorwürfe konstruiert und nachgeschoben. Dagegen setze ich mich zur Wehr.

 

 

Ministerpräsident lässt auf Bürgeranliegen antworten