Wenn zwei dasselbe tun, kann das verschiedene Folgen haben, titelte die BILD-Zeitung in ihrer Ausgabe am 16.09.2021.
Nun wurde zudem eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern veröffentlicht:
20.09.2021 | Staatsanwaltschaft Kaiserslautern.
Keine Verletzung der Impfpriorität.
Ende Februar berichtete die Presse, dass der Landrat des Donnersbergkreises mitgeteilt habe, er sei seit Januar geimpft. Dasselbe treffe für andere Funktionsträger des Kreises zu. Damals wurden Personen der höchsten Prioritätsgruppe geimpft, zu der zumindest der Landrat – soweit bekannt, nähere Ermittlungen hierzu wurden nicht durchgeführt – nicht gehörte. Die an ihn und die weiteren Funktionsträger verimpften Dosen waren jedoch nach den für den 05.01.2021 geplanten und durchgeführten Impfungen übriggeblieben. Sie hätten ohne sofort und ohne Planung verfügbare Impfwillige entsorgt werden müssen. Die Frage, ob sich der Landrat regelwidrig verhalten habe, wurde öffentlich diskutiert. Unmittelbar nach der Presseberichterstattung und in der Folgezeit erstatteten bei der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern mehrere Bürger Strafanzeigen, und zwar auf der Grundlage der Presseberichte.
Einen Straf- oder Bußgeldtatbestand, der ausdrücklich die Verletzung der Impfpriorität zum Gegenstand hat, gibt es nicht. Von den allgemeinen Straftatbeständen kam nur Unterschlagung in Betracht. Nach Ermittlungen zu den Rahmenbedingungen für die Impfung gegen Corona im Januar hat die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern das Verfahren eingestellt und festgestellt, dass kein Impfstoff unterschlagen wurde.
Eine Unterschlagung würde voraussetzen, dass der Impfstoff dem Eigentümer bzw. einem von ihm bestimmten Verfügungsberechtigten entzogen wurde. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Die Corona-Impfstoffe waren von der Europäischen Union beschafft und den Impfzentren vom Bundesgesundheitsministerium zur Verfügung gestellt worden. Das Bundesgesundheitsministerium hat als Eigentümerin die Verwendung der Impfstoffe durch die Coronavirus-Impfverordnung bestimmt. Damals galt die erste Version der Coronavirus- Impfverordnung vom 18.12.2020. Die dort aufgestellte Priorisierungsliste wird mit folgendem Satz eingeleitet: „Die Länder und der Bund sollen den vorhandenen Impfstoff so nutzen, dass die Anspruchsberechtigten in der folgenden Reihenfolge berücksichtigt werden …“
„Sollen“ bedeutet nach dem allgemeinem und dem juristischen Wortgebrauch, dass begründete Ausnahmen, hier also Ausnahmen von der Priorisierung, zugelassen sind.
Nach dem Sinn und Zweck der Coronavirus-Impfverordnung kann die Rettung des Impfstoffs vor der Vernichtung eine solche Ausnahme begründen, da die Impfung möglichst vieler möglichst schnell, ungeachtet der organisatorischen Schwierigkeiten und auch auf Kosten einer Abweichung von der Priorisierung im Einzelfall, im Interesse der nationalen Pandemiebekämpfung war und ist.
Auch der Änderungshistorie der Verordnung lässt sich entnehmen, dass es Ziel des Verordnungsgebers war, eine Vernichtung von Impfstoff zu vermeiden. Angesichts der damals vorherrschenden Knappheit des Impfstoffes hat er die Priorisierung nicht mit einem Absolutheitsanspruch versehen, sondern – zunächst durch die Ausgestaltung als Soll-Vorschrift, später durch Schaffung von Ausnahmetatbeständen – Ausnahmen zugelassen, um angesichts der damaligen Impfstoffknappheit eine Vernichtung von Impfstoff zu verhindern.
In der Fassung vom 08.02.2021 wurde die Sollvorschrift dahingehend konkretisiert, dass von der Priorisierung in Einzelfällen abgewichen werden kann, wenn dies für eine effiziente Organisation von Schutzimpfungen, insbesondere bei einem Wechsel von einer Prioritätsgruppe zur nächsten und zur kurzfristigen Vermeidung des Verwurfs von Impfstoffen notwendig ist. Mit Fassung vom 10.03.2021 wurde normiert, dass von der Priorisierung abgewichen werden kann, wenn dies für eine effiziente Organisation der Schutzimpfungen oder eine zeitnahe Verwendung vorhandener Impfstoffe notwendig ist, insbesondere um einen Verwurf von Impfstoffen zu vermeiden.
Die weiteren Einzelheiten überließ der Bundesgesundheitsminister getreu dem Subsidiaritätsprinzip dem lokalen Impfkoordinator oder der durch ihn beauftragten Person. Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass obere Instanzen erst dann eingreifen sollen, wenn Probleme nicht besser vor Ort gelöst werden können. Den lokalen Instanzen, insbesondere dem Impfkoordinator, wurde damit bewusst ein Entscheidungsspielraum eingeräumt, um die organisatorischen Schwierigkeiten im Sinne des obersten Ziels der Pandemiebekämpfung (schnelle Impfung möglichst vieler) meistern zu können. Dies gilt insbesondere für die hier relevante erste Version der Coronavirus-Impfverordnung und die erste Phase der Impfkampagne, in der eine ad hoc aufgebaute Organisation sich erst einspielen musste. Die hier fraglichen Impfungen geschahen mit Wissen und Willen des lokalen Impfkoordinators und um eine Vernichtung von Impfstoffen zu vermeiden. Der Impfstoff wurde deshalb dem Eigentümer nicht entzogen, sondern seiner Bestimmung zugeführt.
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