Auf Grund von Medien-Anfragen zum aktuellen Stand des Disziplinarverfahrens und der Pressemitteilung des Landesverwaltungsamtes vom 13.10.2021, möchte ich Folgendes mitteilen:
 
Weil Stadträte und Mitglieder des Katastrophenschutz-Stabes mit einer Spritze geimpft wurden, die ansonsten verworfen worden wäre, hat das Landesverwaltungsamt im Februar 2021 ein Disziplinarverfahren gegen mich als Oberbürgermeister eingeleitet. Ich stehe zu meiner Entscheidung – und sie ist auch nach der CoronaImpfV rechtmäßig, wie neben anderen Gerichten mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern in einem vergleichbaren Fall mit ausführlicher Pressemitteilung am  20.09.2021 bestätigt hat.
 
Das Landesverwaltungsamt hat in Kenntnis dessen in den vergangenen Monaten 10 neue Vorwürfe nachgeschoben. Den jüngsten öffentlich mit Pressemitteilung vom 13.10.2021: So soll ich im Jahr 2013 bei einer Personalie gegen tarif- und haushaltsrechtliche Vorschriften verstoßen haben. Hierbei wird durch den Referatsleiter des Landesverwaltungsamtes, Michael Wersdörfer, inzwischen Schadenersatz in Höhe von rund 32.000 Euro gegenüber meiner Person geltend gemacht. Auch diesen Vorwurf habe ich zurückgewiesen.
 
Mein Rechtsanwalt Dr. Michael Moeskes erklärt hierzu: „Auch die neuen Vorwürfe aus dem Jahr 2013 sind ohne Substanz. Sie erfüllen – wie die übrigen nachgeschobenen Vorwürfe – keine Tatbestände. Die politische Motivation in dieser Vorgehensweise ist offensichtlich.“
 
Ziel soll es sein, mich in der Öffentlichkeit negativ darzustellen und durch stetig neue Vorwürfe langandauernde Untersuchungen und Zeugenbefragungen des Landesverwaltungsamtes zu rechtfertigen. Dies wird als ein probates Mittel angesehen, um einen von den Bürgern mit großer Mehrheit im Amt bestätigten parteiunabhängigen Oberbürgermeister faktisch aus dem Amt zu entfernen. Auch hiergegen setze ich mich zur Wehr. 
 
Seit mehr als vier Monaten liegen wichtige Zeugenaussagen vor, die die Vorwürfe widerlegen. Ich habe daher das Landesverwaltungsamt gebeten, seiner Pflicht nachzukommen, das Disziplinarverfahren fortlaufend zu prüfen – und im Ergebnis einzustellen. Dies ist durch den Präsidenten des Landesverwaltungsamtes, Thomas Pleye, und den Ermittlungsführern, Sebastian Thiele und Maik Michlik, nicht geschehen. 
 
Deshalb habe ich das Verfahren am 04.11.2021 dem Verwaltungsgericht Magdeburg vorgelegt mit dem Ziel, die vorläufige Dienstenthebung in einem Eilverfahren aufzuheben.
 
Dem Verwaltungsgericht liegt folgender Sachverhalt vor:
 
Mindestens einmal wöchentlich habe ich Anfang Januar 2021 die Stadtratsvorsitzende Katja Müller über den aktuellen Stand der Pandemie (Inzidenz von über 300) in der Stadt Halle telefonisch informiert.
 
Unmittelbar nach meiner persönlichen Impfung am 17.01.2021 habe ich ihr das Szenario „letzter-Anruf-vor-Verwurf“ und meine Grundsatzentscheidung dazu erläutert: 
 
„Die Priorisierung nach der Coronavirus-Impfverordnung ist grundsätzlich von den Impfteams zu beachten. Abweichungen sind dann möglich, wenn die Organisation dies erfordert oder Impfstoff andernfalls verworfen werden müsste.“ 
 
Ich erläuterte ihr, dass in der Stadt Halle kein Impfstoff verworfen wird. In dem Szenario „letzter-Anruf-vor-Verwurf“ kann damit „jeder“ ein Angebot von den Impfteams erhalten, wenn Impfstoffreste anfallen. Also auch Stadträte und Mitglieder des Kat-Stabes, zudem diese Personenkreise in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge tätig sind und für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung einnehmen. Die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens ergibt sich aus der „Soll-Bestimmung“ der CoronaImpfV. 
 
Die Stadtratsvorsitzende Katja Müller wusste also, dass es sich um Impfstoffreste handelt, die andernfalls hätten verworfen werden müssen. Ihr war das Szenario „letzter-Anruf-vor-Verwurf“ spätestens mit meinem Anruf bekannt. Umso unverständlicher ist dann ihr Verhalten nach diesem Telefonat: Sie hat die Mitglieder des Stadtrates über den Inhalt des Telefonats nicht informiert. Dies hätte spätestens in der Stadtratssitzung am 07.04.2021 geschehen müssen, als über meine Suspendierung entschieden wurde. 
 
Dies tat sie nicht – wohl aus politischen Gründen. Damit hat die Stadtratsvorsitzende Informationen verschwiegen. Die Folgen sind bekannt.

Wenn zwei dasselbe tun, kann das verschiedene Folgen haben, titelte die BILD-Zeitung in ihrer Ausgabe am 16.09.2021.

Nun wurde zudem eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern veröffentlicht: 

20.09.2021 | Staatsanwaltschaft Kaiserslautern.

Keine Verletzung der Impfpriorität.

Ende Februar berichtete die Presse, dass der Landrat des Donnersbergkreises mitgeteilt habe, er sei seit Januar geimpft. Dasselbe treffe für andere Funktionsträger des Kreises zu. Damals wurden Personen der höchsten Prioritätsgruppe geimpft, zu der zumindest der Landrat – soweit bekannt, nähere Ermittlungen hierzu wurden nicht durchgeführt – nicht gehörte. Die an ihn und die weiteren Funktionsträger verimpften Dosen waren jedoch nach den für den 05.01.2021 geplanten und durchgeführten Impfungen übriggeblieben. Sie hätten ohne sofort und ohne Planung verfügbare Impfwillige entsorgt werden müssen. Die Frage, ob sich der Landrat regelwidrig verhalten habe, wurde öffentlich diskutiert. Unmittelbar nach der Presseberichterstattung und in der Folgezeit erstatteten bei der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern mehrere Bürger Strafanzeigen, und zwar auf der Grundlage der Presseberichte.

Einen Straf- oder Bußgeldtatbestand, der ausdrücklich die Verletzung der Impfpriorität zum Gegenstand hat, gibt es nicht. Von den allgemeinen Straftatbeständen kam nur Unterschlagung in Betracht. Nach Ermittlungen zu den Rahmenbedingungen für die Impfung gegen Corona im Januar hat die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern das Verfahren eingestellt und festgestellt, dass kein Impfstoff unterschlagen wurde.

Eine Unterschlagung würde voraussetzen, dass der Impfstoff dem Eigentümer bzw. einem von ihm bestimmten Verfügungsberechtigten entzogen wurde. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die Corona-Impfstoffe waren von der Europäischen Union beschafft und den Impfzentren vom Bundesgesundheitsministerium zur Verfügung gestellt worden. Das Bundesgesundheitsministerium hat als Eigentümerin die Verwendung der Impfstoffe durch die Coronavirus-Impfverordnung bestimmt. Damals galt die erste Version der Coronavirus- Impfverordnung vom 18.12.2020. Die dort aufgestellte Priorisierungsliste wird mit folgendem Satz eingeleitet: „Die Länder und der Bund sollen den vorhandenen Impfstoff so nutzen, dass die Anspruchsberechtigten in der folgenden Reihenfolge berücksichtigt werden …“

„Sollen“ bedeutet nach dem allgemeinem und dem juristischen Wortgebrauch, dass begründete Ausnahmen, hier also Ausnahmen von der Priorisierung, zugelassen sind.

Nach dem Sinn und Zweck der Coronavirus-Impfverordnung kann die Rettung des Impfstoffs vor der Vernichtung eine solche Ausnahme begründen, da die Impfung möglichst vieler möglichst schnell, ungeachtet der organisatorischen Schwierigkeiten und auch auf Kosten einer Abweichung von der Priorisierung im Einzelfall, im Interesse der nationalen Pandemiebekämpfung war und ist.

Auch der Änderungshistorie der Verordnung lässt sich entnehmen, dass es Ziel des Verordnungsgebers war, eine Vernichtung von Impfstoff zu vermeiden. Angesichts der damals vorherrschenden Knappheit des Impfstoffes hat er die Priorisierung nicht mit einem Absolutheitsanspruch versehen, sondern – zunächst durch die Ausgestaltung als Soll-Vorschrift, später durch Schaffung von Ausnahmetatbeständen – Ausnahmen zugelassen, um angesichts der damaligen Impfstoffknappheit eine Vernichtung von Impfstoff zu verhindern.

In der Fassung vom 08.02.2021 wurde die Sollvorschrift dahingehend konkretisiert, dass von der Priorisierung in Einzelfällen abgewichen werden kann, wenn dies für eine effiziente Organisation von Schutzimpfungen, insbesondere bei einem Wechsel von einer Prioritätsgruppe zur nächsten und zur kurzfristigen Vermeidung des Verwurfs von Impfstoffen notwendig ist. Mit Fassung vom 10.03.2021 wurde normiert, dass von der Priorisierung abgewichen werden kann, wenn dies für eine effiziente Organisation der Schutzimpfungen oder eine zeitnahe Verwendung vorhandener Impfstoffe notwendig ist, insbesondere um einen Verwurf von Impfstoffen zu vermeiden.

Die weiteren Einzelheiten überließ der Bundesgesundheitsminister getreu dem Subsidiaritätsprinzip dem lokalen Impfkoordinator oder der durch ihn beauftragten Person. Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass obere Instanzen erst dann eingreifen sollen, wenn Probleme nicht besser vor Ort gelöst werden können. Den lokalen Instanzen, insbesondere dem Impfkoordinator, wurde damit bewusst ein Entscheidungsspielraum eingeräumt, um die organisatorischen Schwierigkeiten im Sinne des obersten Ziels der Pandemiebekämpfung (schnelle Impfung möglichst vieler) meistern zu können. Dies gilt insbesondere für die hier relevante erste Version der Coronavirus-Impfverordnung und die erste Phase der Impfkampagne, in der eine ad hoc aufgebaute Organisation sich erst einspielen musste. Die hier fraglichen Impfungen geschahen mit Wissen und Willen des lokalen Impfkoordinators und um eine Vernichtung von Impfstoffen zu vermeiden. Der Impfstoff wurde deshalb dem Eigentümer nicht entzogen, sondern seiner Bestimmung zugeführt.

30.09.2021 Ermittlungen gegen Halles OB kein Thema im Stadtrat

06.10.2021 mdr aktuell Radio 07.11 Uhr: Seit 6 Monaten Ermittlungen gegen Halles suspendierten OBM Wiegand. Vorwürfe gegen die StA und Reaktionen darauf.

Januar 2021: Verimpfen statt vernichten – Bevor Impfstoff weggeworfen wird können auch Stadträte und Mitglieder des Katastrophenschutz-Stabes geimpft werden